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Früh, wenn die Hähne krähn
Mai 1829


Eduard Mörike hat in seine Novelle Maler Nolten nach den Vorbildern Goethes und der Romantiker Gedichte eingefügt, teilweise als von den handelnden Personen gesungene Lieder.
Früh, wenn die Hähne krähn weist eine weitergehende Funktion auf. Dieses Lied hört der kranke Nolten, kann es keinem genauen Ort und keiner Person zuordnen, ihm kommt Agnes, seine von ihm vernachlässigte Verlobte, in den Sinn. Das Lied löst in Nolten bittersüße Gefühle aus und hat eine nahezu psychotherapeutische Wirkung.
Die - modern ausgedrückt - aus dem Off kommende Musik, das lyrische Gedicht greifen in die realistische Prosa ein, lassen uns intuitiv ein seelisches Erlebnis mitempfinden, das als Vorgang zu beschreiben sich der Autor versagt.
Dieses Lied steht für das Halb- und Unterbewusste in Nolten.

Früh, wenn die Hähne krähn gehört zu den Liedern, die Louis Hetsch für die Liedbeilage der Novelle von 1832 geschaffen hat. Das Gedicht trägt in der Novelle selbst keinen Titel, wird bei Hetsch Lied und in Mörikes Gedichtband von 1838 Das verlassene Mägdlein genannt.
Robert Schumann (1847) und Hugo Wolf (1888), denen der Gedichtband vorliegt, ändern den Text aus metrischen Gründen an zwei Stellen.
Schumann macht zudem aus dem Mägdlein ein Mägdelein.



  Lied

  Früh, wenn die Hähne krähn,
  Eh die Sternlein verschwinden,
  Muß ich am Herde stehn,
  Muß Feuer zünden.

  Schön ist der Flamme Schein,
  Es springen die Funken.
  Ich schaue so drein,
  in Leid versunken.

  Plötzlich, da kommt es mir,
  Treuloser Knabe,
  Daß ich die Nacht von dir
  Geträumet habe.

  Träne auf Träne dann
  Stürzet hernieder;
  So bricht der Tag mir an -
  O ging er wieder!



  Das verlassene Mägdlein 

  Früh, wann die Hähne krähn,
  Eh die Sternlein verschwinden,
  Muß ich am Herde stehn,
  Muß Feuer zünden.

  Schön ist der Flamme Schein,
  Es springen die Funken.
  Ich schaue so drein,
  in Leid versunken.

  Plötzlich, da kommt es mir,
  Treuloser Knabe,
  Daß ich die Nacht von dir
  Geträumet habe.

  Träne auf Träne dann
  Stürzet hernieder;
  So kommt der Tag heran -
  O ging er wieder!

  Lesart bei Schumann und Wolf

  Früh, wann die Hähne krähn,
  Eh die Sternlein schwinden,
  Muß ich am Herde stehn,
  Muß Feuer zünden.

  Schön ist der Flamme Schein,
  Es springen die Funken.
  Ich schaue so darein,
  in Leid versunken.

  Plötzlich, da kommt es mir,
  Treuloser Knabe,
  Daß ich die Nacht von dir
  Geträumet habe.

  Träne auf Träne dann
  Stürzet hernieder;
  So kommt der Tag heran -
  O ging er wieder!


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