So ist der Tod. So ist das Leben

„Sehen Sie“, sagte er, „erzählte ich Ihnen mein ganzes Leben, brauchte ich mehrere Tage, und wer hätte dafür die Zeit? Sie nicht und ich nicht.
Und deswegen beschränke ich mich auf meinen Tod.
Das geht schneller.
Er ereilte mich wie nebenbei. Unvermutet konnte er bestenfalls für andere sein. Mich selbst überraschte er nicht.
Er war das Ergebnis meines Lebens. Klar hätte ich ein anderes Leben führen können. Eines ohne Zumutungen an mich und andere, eines ohne Stress. Karriere und Ansehen hätten nicht vornean stehen müssen. Und überflüssige Krankheiten und körperliche Gefährdungen waren eigentlich auch nicht nötig.
Wer sagt denn, dass man ungeschützt durchs Leben rennen muss?
Vor vielem kann man sich schützen.
Der  Schutz vor mir selbst freilich funktionierte nie.
Dabei denke ich nicht an das Rauchen und die exzessiven Saufereien, an die durchfeierten und durchhurten Nächte, sondern daran, wie ich mich stets überfordert habe mit Ansprüchen, denen ich nicht genügen konnte.
Es waren mein rascher Geist, meine Ungeduld, meine Überheblichkeit, meine kompromisslose Wahrheitsliebe und meine übersensiblen Sinne, die Situationen heraufbeschworen, die selbst ein Gott nicht gemeistert hätte.
In dieser Art, die ich in der Kürze der Zeit nur andeuten kann, hastete ich ungebremst dahin. Bis zu dem Augenblick, in dem ich mich erschöpft hier neben Sie setzte.
Ein eigenartiges Ziehen in der Brust, eine warme und zugleich eiskalte Welle von zeitlosen Gefühlen und Gedanken, die mich überschwemmte, offenbarten mir ein bisher gut gehütetes Geheimnis.
Sehen Sie her zu mir:
So ist der Tod. So ist das Leben.“